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„Eine neue Fabrik denken wir zwei Generationen voraus“

Softwaregesteuerte, vernetzte Produktionsprozesse, ein hoher Automatisierungsgrad und die enge Kooperation mit Zulieferern und Kunden: Moderne Fabriken sollen effizienter funktionieren und stellen neue Anforderungen an die Automobilindustrie.

Achim Agostini, Leiter der Division Global Automation & Engineering beim Industrie-Dienstleister Leadec, erwartet zwei Arten von Autofabriken: „Die Massenproduktion gleicher Fahrzeuge, zum Beispiel für Flottenbetriebe, wird weiterhin auf klassischen Linien erfolgen – jedoch stärker automatisiert, vor allem in der Montage. In der höher individualisierten Fabrik hingegen werden die Autos auf fahrerlosen Transportsystemen (FTS) die entsprechenden Stationen anfahren.

 

Eine Station wird viel mehr Arbeitsschritte beinhalten, die Spreizung der Fertigungszeit wird größer. Insgesamt werden sich die Ausstattung einer solchen Fabrik und die Wertschöpfungsstruktur im Vergleich zu den heutigen Abläufen stark verändern.“ Obwohl die Technologie dafür da sei, beruhe die installierte Basis in den Fabriken auf klassischen Konzepten.

 

Geld für E-Autos statt Fabriken

Sein Ausblick: Die Fabrik der Zukunft ist entsprechend modularer. Anforderungen können sich schnell ändern, und Baugruppen werden dezentral hergestellt. Mehr Baugruppen kommen in größeren Einheiten in der Fabrik an, und ein erheblicher Anteil der Wertschöpfung findet außerhalb der Endmontage statt.

 

"Wenn wir eine Fabrik neu planen, müssen wir zwei Generationen in die Zukunft denken."

 

„OEMs setzen ihre Finanzmittel verstärkt für die Produktentwicklung neuer E-Fahrzeuge und weniger für die Fabrik ein. Da sich Investitionen in der Zulieferkette verschieben, wird auf der Seite der Zulieferer viel mehr passieren“, erklärt Agostini und fährt fort: „Wenn wir eine Fabrik auf der grünen Wiese planen, müssen wir zwei Generationen beziehungsweise circa zehn Jahre in die Zukunft denken. Wir müssen uns fragen, wie die nächste Fahrzeuggeneration aussehen wird, und welche Neuheiten mit dem Folgefahrzeug auf den Markt kommen könnten. Das komplett flexible Fabrikkonzept ist noch nicht in größerem Rahmen umgesetzt; es gibt aber Automobilhersteller, die das gerade diskutieren.“

 

Die Lieferkette steuern

Die künftige Kernaufgabe der Erstausrüster wird sich von der Steuerung der Fabrik hin zur Steuerung der Lieferkette bewegen. „Wir werden niemals störungsfrei produzieren können, aber innerhalb der verschiedenen Baugruppen eine viel höhere Transparenz erreichen, um die Fabrik optimal aussteuern zu können. Die meisten Hersteller wissen bis Tier-1 und Tier-2 Bescheid, was an Waren verfügbar ist. Sie müssen aber sicherstellen, dass sie keinen Lieferabriss haben“, sagt Agostini.

 

Das bedeutet: mehr Vernetzung. Und damit stellt sich die Frage nach dem Zugriff auf und den Besitz von Informationen. „Wir bewegen uns weg von der klassischen Serverstruktur hin zu Clouddiensten. Dort, wo sich unsere Clouddienste mit einem OEM-System vernetzen, bekommen nur bestimmte Projektmitarbeiter eine Zugangsberechtigung. Bei jedem Projekt treffen wir mit dem Kunden individuelle Regelungen“, so Geschäftsführer Markus Glaser-Gallion.

 

Für ein flexibles Fabrikkonzept für E-Fahrzeuge nutzt das Unternehmen unter anderem fahrerlose Transportsysteme, die die geforderte Traglast gewährleisten können. Weil ein Elektrofahrzeug derzeit häufig schwerer ist als ein Auto mit Verbrennungsmotor, kommen in manchen Fabriken Linienabschnitte mit klassischer Fördertechnik teils an ihre Grenzen.

 

Basis: Software

Insgesamt hat die verwendete Software große Bedeutung, zum Beispiel um eine ganze Endmontage-Fabrik zu planen, auszutakten und dreidimensional zu simulieren. Oder um eine transparente Lieferkette abzubilden. Das kann zum Beispiel das Überwachen von Schutzgas-Schweißprozessen beim Zulieferer sein. Die dafür verwendete Software „ist bei einem ersten OEM in der Validierung. Wenn die Profile und Gussteile miteinander verschweißt werden, können wir schon im Vorgang online die Naht beurteilen und so zum Beispiel eine Nacharbeit veranlassen“, sagt Agostini.

 

Um Roboterzellen zu optimieren, hat Leadec eine eigene Software namens „robControl“ entwickelt. Mit ihr lasse sich die Taktzeit in der Regel um bis zu 15 Prozent reduzieren. Die Besonderheit der Software: Bereits während der virtuellen Inbetriebnahme könnte sie die Abläufe inklusive der Steuerung simulieren, die Geometrie komplett abbilden und somit die Taktzeit ermitteln und Kollisionen ausschließen.

 

Für Thyssen Automotive Systems steuert und überwacht Leadec die Montagelinien weltweit. „Wir bekommen Lieferabrufe von der Kundenfabrik, die in Fertigungsaufträge aufgelöst werden. Mit der Software steuern wir die Arbeitsaufträge in den einzelnen Linien – indem wir die Betriebsmittel individuell ansteuern und überwachen. Den Fertigungsfortschritt prüfen wir dabei kontinuierlich mittels „Track&Trace“. Bei Abweichungen initiieren wir die notwendigen Schritte.

 

Mit der Software können wir in nur vier Stunden Arbeitsstationen softwaretechnisch verlagern oder neue Betriebsmittel einbinden; normalerweise dauert das mehrere Tage bis Wochen“, sagt Agostini.

 

Dieser Beitrag ist am 01.04.20 zuerst auf automobil-industrie.vogel.de erschienen.